Im neuen Barmer Zahnreport wird der Zusammenhang zwischen frühkindlicher Antibiotika-Einnahme und MIH („Kreidezähnen“) herausgestellt. Zahnärzteverbände schränken nun ein: Es kommen weitere Ursachen in Betracht, die Forschung steht noch am Anfang.
Die Molaren-Inzisiven-Hypomineralisation (MIH) gehört zu den großen Rätseln der jüngeren Zahnmedizingeschichte. Eine gestörte Bildung des Zahnschmelzes führt bei diesem Krankheitsbild dazu, dass er sich verfärbt und porös wird. Man spricht daher auch von „Kreidezähnen“. Die davon betroffenen Kinder leiden unter erheblichen Schmerzen und, je nach Schweregrad, unter funktionellen Einschränkungen beim Kauen.
„MIH kann derzeit nur symptomatisch behandelt werden, da die Ursachen der Erkrankung noch nicht geklärt werden konnten“, erläutert der in Berlin-Wilmersdorf praktizierende Zahnarzt Dr. Olaf H. Körner. „Als Zahnärzte können wir MIH also nur möglichst frühzeitig diagnostizieren, die Eltern über sinnvolle Maßnahmen zur Eindämmung aufklären und die betroffenen Zähne versorgen.“
Auch der einmal jährlich erscheinende Barmer Zahnreport widmet sich in diesem Jahr der MIH. Zutreffenderweise wird darin auf Zusammenhänge hingewiesen, die zwischen gestörter Schmelzbildung und frühkindlicher Antibiotika-Einnahme belegt werden konnten.
„Wir wissen immer noch zu wenig“
Das ist der Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK) und der Deutschen Gesellschaft für Kinderzahnheilkunde (DGKiZ) jedoch zu einseitig. Die beiden Fachverbände weisen deshalb in einem gemeinsamen Statement darauf hin, dass neben den Antibiotika noch viele weitere Faktoren im begründeten Verdacht stehen, MIH zu begünstigen. „Über ihre Entstehungsursachen wissen wir aber immer noch zu wenig, um einen klaren Zusammenhang mit der Einnahme von Antibiotika herausstellen zu können“, betont der DGZMK-Präsident Prof. Dr. Roland Frankenberger von der Uni Marburg.
Die DGKiZ-Präsidentin Prof. Dr. Katrin Bekes von der Medizinischen Universität Wien hebt hervor, „dass neben den Antibiotika auch weitere auslösende Faktoren diskutiert werden. Hierzu zählen beispielsweise Infektionserkrankungen in den ersten drei Lebensjahren, chronische Erkrankungen der Atemwege des Kindes, Umwelttoxine (Kunststoffbestandteile in Form des Bisphenol A) oder auch ein Vitamin-D-Mangel. Ein einzelner kausaler Faktor mit einem hohen Evidenzgehalt konnte jedoch bisher nicht ermittelt oder ausreichend belegt werden.“
Die Dentalgesellschaften raten deshalb dazu, die Forschungen zur MIH-Entstehung deutlich zu forcieren. Besorgte Eltern müssen also einstweilen auf valide Präventionstipps warten.